Interview mit Bettina Pelz
Politik & Kultur. Zeitung des Deutschen Kulturrates 12/19 / 1/20. Seite 26.

Frau Pelz, als Kuratorin ist Ihr Spezialgebiet Licht in Kunst, Design und Architektur. Das ist ein weites Feld – was machen Sie genau?

Wenn wir, in den visuellen Künsten, über Farbe und Form sprechen, über ästhetische Erscheinungsformen und künstlerischen Ausdruck, dann ist Licht eigentlich immer im Spiel. Es ist das visuelle Medium, das zwischen uns als wahrnehmenden Subjekten und der Welt vermittelt. Das Licht fungiert wie eine Art Filtersystem, das nur das durchlässt, was mit ihm korrespondiert.

In der kuratorischen Auseinandersetzung geht es darum zu verstehen, ob und wie das Verhältnis zwischen Bild und Blick Teil einer künstlerischen Herangehensweise ist. Dabei kann Licht sowohl das Mittel der Gestaltung wie auch das Medium der Wahrnehmung sein. Wie ich vor 20 Jahren anfing zu Licht als Material der Kunst zu arbeiten, hat es eine Weile gedauert, bis ich die „Doppelnatur“ des Lichts, als Teilchen und als Welle, verstanden habe. Heute ist es diese Veränderlichkeit, die mich immer noch fasziniert. Und das Prinzip Licht, nicht nur eins, sondern immer auch ein anderes zu sein, setzt sich in der künstlerischen wie auch der kuratorischen Auseinandersetzung fort. Dieses dialogische Prinzip des Lichts gibt meinen Ausstellungsprojekten ihre Struktur, die Themen können dann vielfältig sein. Sie leiten sich meist aus dem Ort der Ausstellung oder seinen Kontexten ab.

Licht ist flüchtig – wie kuratiert man es, wie stellt man es aus?

Wie auch bei anderen zeit-basierten Medien, geht es in der kuratorischen Produktion darum, Zeiteinheiten oder „Momente“ zu gestalten, an denen der Ort, das Werk und die Betrachtenden ein Beziehungsspiel eingehen können.

Welche Rolle spielt dabei Dunkelheit?

Für Kunst im öffentlichen Raum gilt, dass die Liste der Lichtquellen, die ausgeschaltet werden, meist länger ist, als die wir anschalten. Dunkelheit ist die Leinwand die Lichts. In der Vorbereitung von Ausstellungsprojekten fällt oft der Satz „Wie schön dunkel es hier ist“, er ist mit einem Moment des Aufatmens verbunden. Sowohl in Innen- wie in Außenräumen gibt es oft Umgebungslicht, mit und über das wir verhandeln müssen. Das erweist sich oft als schwierig, weil die Anwesenheit von Licht mit „gut“ und „sicher“ konnotiert ist. Als Kuratorin erscheint mir Dunkelheit als ein rares Gut.

Was muss man beim Kuratieren von Lichtkunst im Vergleich zu Gemälden, Plastiken etc. beachten?
Licht ist immer in Bewegung. Es breitet sich aus bis es auf etwas trifft, das es absorbiert oder reflektiert. Licht-basierte Arbeiten zeichnen sich durch einen großen Wirkraum aus und sie verändern die Erscheinungsformen von allem, was sich visueller Nähe befindet. Wird dieser Wirkraum nicht respektiert, assoziiert man licht-basierte Objekte eher mit Spielautomaten als mit Skulpturen.

Woran arbeiten Sie gerade? Können Sie Beispiele nennen?

Mein nächstes Ausstellungsprojekt im April heißt „Matter of Time“. Es untersucht wie sich Zeit in Materie einschreibt und findet in einer Schloss- und Gartenanlage im Norden von Tunis statt. Um jeder Intervention ihren Raum zu geben, sind visuelle Integrität und räumliche Distanz die wichtigsten Stellschrauben.

Sie sind auch in der Lehre tätig. An der FH Dortmund waren Sie 2017 an einer Konferenz mit dem Titel „Die Farben der Lichtkunst“. Welche sind dies? Welche Bedeutung kommt Farben in der Lichtkunst zu?

In meiner kuratorischen Auseinandersetzung mit Licht hat sich mein Verhältnis zu Farbe grundlegend geändert. Heute denke ich Farbe als in kontinuierlicher Veränderung begriffen. Der Farbeindruck entsteht im Zusammenspiel der Köperfarben, der Eigenschaften des Lichts und dem Wahrnehmungsapparates ab. Die Zusammensetzung des Lichts, das Farbspektrum, gestaltet das Zusammenspiel mit den Oberflächen, die es sichtbar macht. Die Wahrnehmungsmöglichkeiten sind physisch bedingt und hängen von den Maß an Seherfahrung ab. So wie eine Musiker_in „mehr“ hört als ein nicht geübtes Ohr, verfügt eine bildende Künstler_in oder eine Kuratorin über ein trainiertes Auge. Teil dieser Übung ist es, dass Gehirn zu hintergehen. In unserer visuellen Erinnerung wird der Farbeindruck bei Tageslicht als „normal“ abgespeichert und wird auch unter anderen Lichtverhältnissen, wie z.B. in der Dämmerung, nicht aktualisiert. Das Wahrnehmen von Farben folgt häufig diesen Standards, und die vielen Facetten des Veränderlichkeit werden ausgeblendet. Dieses Interesse für die Veränderlichkeit und Vergänglichkeit von Farbe teile ich mit vielen Künstler_innen, die mit Licht als Material oder Medium arbeiten.

Inwieweit spielt Lichtverschmutzung in der Lichtkunst eine Rolle? Ist das Thema?

Alle Ausstellungsprojekte, die im öffentlichen Raum stattfinden, sind dem Zuviel des Licht in unseren Städten ausgesetzt. Für viele Künstler_innen und Kurator_innen ist es nicht nur ein schwieriges Thema in der Ausstellungsgestaltung, sondern auch Teil ihres ökologischen und/oder politischen Engagements.

Welche Lichtkünstler sollte man kennen?

Viele der Künstler_innen, mit denen ich arbeiten, würden sich wehren wollen, wenn sie als Lichtkünstler_innen bezeichnet würden. Anders als bei Video- oder Medienkunst, wo Werk in einem Medium stattfindet and durch das Medium, die Erscheinungsform kanalisiert wird. Licht ist eher das Ur-Medium, das mit allen Formen der visuellen Kunst korrespondiert. Dies prägt meinen Blick auf die zeitgenössische Kunst ebenso wie es den Blick in die Kunstgeschichte. Mich interessieren die prähistorischen Höhlenzeichnungen ebenso wie archaische Schattenspiele, alle technischen Entwicklungen vom Funken bis zum Pixel, Fotographie und Film als Lichtzeichnung, digitale Medien für Screen-basierte Arbeitsweisen ebenso wie licht-basierte Mappings.

Featured Image: Khouloud Benzarti. SEE DJERBA Houmt-Souk.tn 2019. Photo DK.

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